Freitag, 22. Januar 2016

Was ist ein Emergenz-Zirkel?

Seit etwa drei Jahre schwelte in mir eine Idee. An Anfang war sie wie ein Gedanke, ein Samenkorn und wuchs dann langsam heran, aber ich konnte sehr lange „den Finger nicht darauf legen“. Inzwischen hat sie einen Namen: Emergenz-Zirkel.

Das Rezept ist recht einfach, Humor, Freimut, Neugier, Methodenkompetenz, Erfahrung, Wissen und Spaß an Entwicklung – Das Besonderes an diesem Menue ist, dass es für jeden und jede individuell zubereitet wird, man kocht sozusagen selbst und naschen ist ausdrücklich erlaubt. Am Ende bekommt man seine Ergebnisse mit, sozusagen im Einmachglas oder besser noch in einer schönen Schachtel – Handverlesen und nahrhaft. Ich stelle alle Zutaten zur Verfügung und helfen beim auskochen. Kochen ist ein Prozess, bei dem aus verschiedenen Zutaten etwas Neues entsteht. Emergenz kommt vom lateinischen "emergere" – auftauchen, herauskommen, emporsteigen und bedeutet "die spontane Herausbildung von neuen Eigenschaften oder Strukturen eines Systems infolge des Zusammenspiels seiner Elemente." (Wiki) oder anders ausgedrückt: Das Ergebnis ist mehr als die Summe seiner Teile – mehr noch, es ist nicht daraus ableitbar, es ist nicht einmal vorhersehbar. Der Begriff Emergenz, bzw. das mit ihm beschriebene Phänomen fasziniert mich schon eine ganze Weile. Emergenz entsteht meiner Meinung nach aus Synergien, sie ist sozusagen die Fortschreibung von Synergie. Zirkel, also lateinisch Kreisbahn oder einfach Kreis, ist als Begriff weniger geheimnisvoll. Aber er birgt eine Menge in sich, dieser Begriff. Aber um das zu erklären muss ich ein wenig ausholen:

Als ich eines Morgens über ein Arbeitsthema von mir brütete wollte ich etwas nachschlagen. Ich nahm das Buch in dem ich meine Antwort vermutete zur Hand. Im Inhaltsverzeichnis war nicht recht was zu finden, aber ich fiel über einen Kapiteltext der mich neugierig gemacht hatte. Ich las den Artikel, der sehr humorvoll und treffend beschrieben war. Er gefiel mir so gut, dass ich ihn am liebsten gleich „teilen“ wollte. Die Person, die mir dazu als erstes einfiel war eine Therapeutin, die ich vor kurzem kennen gelernt hatte und bei der ich vor zwei Tagen eine Fortbildung besucht hatte. Mein nächster Gedanke war – oh, da könnte man eine Gruppe draus machen in der man so was vorliest und bespricht. Da war sie, die Emergenz der Bilder… Die Fortbildung, die ich besucht hatte, war anders, als die, die ich so normalerweise besuche. Es war eher eine Art mehr oder weniger zufällig zusammen gesetzte Arbeitsgruppe. Man meldete sich nur für einen Tag an, auch, wenn es diese Veranstaltung jeden Monat gab. Es wurde dann direkt an Anliegen und Themen aus der Gruppe gearbeitet. Zwei Personen konnten ihr persönliches Problem vorher anmelden, sie wurden dann als erste berücksichtigt, die anderen wurden zu Beginn gefragt, ob sie in einen Lostopf wollten. Wenn noch Zeit war und die war anscheinend immer, dann wurde aus diesem Topf ausgelost, wer als nächstes dran kam. Wer kein Anliegen hatte konnte auch einfach so dabei sein. Viele waren schon mehrere Male dabei gewesen und haben begeistert berichtet, dass sie jedes Mal etwas mitgenommen hatten. Diese Vorgehensweise war sicherlich aus der Art des Angebotes entstanden, es handelte ich um ein Aufstellungsseminar .
Das Angebot von Tagesveranstaltung bei denen man sich nur für ein Thema angemeldet hatte ich auch schon oft in Erwägung gezogen, aber aus verschiedenen Gründen immer wieder verworfen. Eigentlich wollte ich mein Kind erst Salon-Cirkus nennen.
Diesen Namen gab es aber schon, für einen Zirkus und er erschien mir dann doch ein bisschen zu bunt. Ich hätte ihn aber gelassen, wenn mir nicht der Emergenz-Zirkel eingefallen wäre. Zirkel – erinnern mich an Salonkultur, an ein zirkuläres Weltbild und an Ganzheit.
Zur Prüfung in Erwachsenenbildung, ich bin Diplom Pädagogin, hatte ich „die Geschichte der geselligen Bildung“ als Thema. Dort ging es darum, wie sich die ersten Lesezirkel gebildet hatten. Ursprünglich aus der Not heraus, Bücher waren teuer und nicht jeder konnte sie besitzen. So wurde vorgelesen und darüber gesprochen. Es entstand eine Salonkultur. Man aß, trank, las und redete. Ambiente, Bildung, Kunst und Kultur wurden zur Freizeitgestaltung für einen Teil der Gesellschaft. Diese Mischung aus Kunst, Kultur, Austausch, und Bildung im ureigensten Sinne hat mich begeistert seit dem ich sie kenne. In mir gibt es seitdem ein Bild von „meinem Salon“ und den Wunsch danach an solchen Veranstaltungen teilzunehmen. Warum ich ein zirkuläres Weltbild einem linearen Verständnis von Zusammenhängen bevorzuge wäre einen eigenen Artikel wert. An dieser Stelle möchte ich nur erwähnen, dass eben diese „zirkuläre-Haltung“ ein wesentlicher Bestandteil meines Arbeitsstils in Unterricht, Beratung und Therapie ist.